Profit oder Klimaschutz? So können sich Manager für beides entscheiden

Was für das Unternehmen gut ist, muss nicht unbedingt gut für die Gesellschaft sein. Das gilt vor allem beim Klimaschutz. Wie sollen sich Managerinnen und Firmenlenker also entscheiden? Lassen sich Moral und Gewinn vereinbaren?


Joe Kaeser ist schuld am Klimawandel. Zumindest wenn es nach Klimaaktivisten geht, die ihm angesichts der Lieferung von Siemens-Technik an ein Kohlebergwerk in Australien verantwortungsloses Handeln vorwerfen. Hätte Kaeser auf den Auftrag verzichten müssen – zugunsten höherer sozialer Werte? Welche moralische Verantwortung haben Manager? Und welche Ziele sollten sie vorrangig verfolgen?

Seit Jahrzehnten streiten darüber auch die Gelehrten. Sie stehen sich in zwei Lagern gegenüber. Das erste Lager verteidigt das Gewinnstreben als oberstes Unternehmensziel. Das zweite Lager will Manager in die Verantwortung nehmen, gleichberechtigt gesellschaftliche Ziele zu verfolgen. Lassen sich diese scheinbar unversöhnlichen Positionen im Sinne einer überzeugenden Handlungsanleitung in Einklang bringen?

Nicht alle Märkte funktionieren

Schauen wir noch einmal auf das erste Lager, das sagt: Manager sollen – und können – nur ein Ziel verfolgen, nämlich den Gewinn ihres Unternehmens steigern. Der Gründer des großen amerikanischen Finanzinvestors Blackstone, Stephen A. Schwarzman, sagte kürzlich in einem Interview: „Ich finde es sehr schwierig, ein Unternehmen nach fünf verschiedenen Maßgaben und Zielvorstellungen zu leiten. Menschen geben uns Geld, damit wir ihnen eine gute Rendite verschaffen. Deshalb sind wir im Geschäft. Wenn wir kein Geld verdienen, sind wir ganz schnell draußen.“ Der Wettbewerb diktiert die Spielregeln. Wenn Unternehmen sich trotzdem für soziale Belange und Nachhaltigkeitsfragen engagierten, täten sie das aus langfristigem Gewinninteresse.

Das erste Lager führt noch ein weiteres Argument an. In der Marktwirtschaft profitiert das Gemeinwesen gerade davon, dass jeder Marktakteur seine eigenen Interessen verfolgt. „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen- sondern an ihre Eigenliebe.“ Diese Einsicht aus dem 18. Jahrhundert stammt von Adam Smith, dem schottischen Moralphilosophen und Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre.

Das Argument gilt allerdings nur für funktionierende Märkte. Gewinnstreben und Wettbewerb können bisweilen aber sozial unerwünschte Nebenfolgen haben. Der Klimawandel ist ein gutes Beispiel: Auf unregulierten Märkten produzieren Unternehmen zu viele Treibhausgasemissionen. Die Interessen von Unternehmen und die Interessen des Gemeinwesens driften auseinander. Für diese Situation hat das erste Lager keine überzeugende Antwort parat.

Nicht alle Konkurrenten ziehen mit

Das zweite Lager setzt genau hier an: Manager müssen in ihren alltäglichen Entscheidungen auch gesellschaftliche Ziele verfolgen, um Marktversagen zu heilen. Schwierig wird es allerdings, wenn das Verfolgen dieser Ziele auf Kosten des Gewinns geht. Nach welchen Maßstäben sollen Manager die verschiedenen Ziele gegeneinander abwägen?

Die Argumentation des zweiten Lagers hat noch eine weitere Schwäche: Sie ignoriert den Wettbewerb. Kein Manager wird auf Gewinn verzichten (können), wenn er fürchten muss, dass die Konkurrenz nicht mitzieht und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Moralische Appelle werden ins Leere laufen.

Keines der beiden Lager bietet also eine für alle Lebenslagen überzeugende Handlungsanleitung, wie Manager im Spannungsfeld von sozialer Wohlfahrt und globalem Wettbewerbsdruck verantwortungsbewusst agieren können.

Bessere Spielregeln könnten die Lager versöhnen

Die drei Wirtschaftsethiker Ingo Pies, Philipp Schreck und Karl Homann zeigen jetzt in einer neuen Forschungsarbeit , wie sich beide Perspektiven im Sinne einer überzeugenderen Antwort versöhnen lassen.

Sie werben dafür, die Verantwortung von Managern nicht nur an unternehmerischen Entscheidungen innerhalb eines bestehenden institutionellen Rahmens festzumachen – wie es die beiden oben genannten Lager tun – sondern auch am Engagement für bessere institutionelle Rahmenbedingungen. In anderen Worten: Wir sollten Manager nicht nur an ihren unternehmerischen „Spielzügen“ messen, sondern auch daran, ob sie sich im Sinne des Gemeinwohls für eine Verbesserung der „Spielregeln“ des Marktes einsetzen.

Solange Märkte funktionieren, brauchen Manager sich nur um ein Ziel kümmern: den Gewinn. Sie dienen damit gleichermaßen dem Interesse des Unternehmens und dem Gemeinwohl.

Sobald unternehmerische und gesellschaftliche Ziele in Konflikt geraten, müssen Manager eine erweitere Verantwortung übernehmen. Aber: Wir können eben keine unternehmerischen Entscheidungen von ihnen einfordern, die ihren Unternehmen einen einseitigen Wettbewerbsnachteil bescheren. Solche Entscheidungen werden sie weder realistischerweise treffen, noch sind sie moralisch dazu verpflichtet. Wir sollten Manager vielmehr auf Ebene der Spielregeln in die Verantwortung nehmen: Kämpfen Manager glaubwürdig für regulatorische Lösungen, die private und soziale Interessen einander wieder annähern? Nur auf dieser Ebene der politischen Verantwortung löst sich das Spannungsverhältnis zwischen sozialer Verpflichtung und Wettbewerbsdruck glaubwürdig auf – und entsprechende Appelle haben überhaupt erst eine Chance, tatsächlich Wirkung zu entfalten.

Es braucht weltweite Standards

Im Fall des Klimawandels besteht eine regulatorische Lösung zum Beispiel darin, Treibhausgasemissionen mit einem Preis zu versehen und so zu verteuern. Diese Veränderung der Spielregeln schafft einen Anreiz, in klimaschonende Technologien zu investieren. Wenn alle Unternehmen der Regeländerung unterworfen sind, erleidet kein Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil, wenn es einseitig in Klimaschutz investiert.

Da Unternehmen im globalen Wettbewerb stehen, müssten diese Regeln idealerweise weltweit gelten. Mit dem EU-Emissionshandel existiert bereits ein europaweites CO2-Preissystem für die Energiewirtschaft und die Industrie. Weltweit sind über 50 Systeme zur Bepreisung von CO2 in Kraft – unter anderem in China, Japan, Südkorea, den USA, Kanada und Australien. Erste internationale Institutionen arbeiten daran, diese Preissysteme zu koordinieren. Experten empfehlen, in den internationalen Klimaverhandlungen langfristig eine Konvergenz zu einem globalen CO2-Preis anzustreben.

Die neuen Spielregeln rücken dann das Spielfeld auf eine Weise zurecht, dass Manager sich wieder voll und ganz auf die unternehmerischen Spielzüge und das Gewinnziel konzentrieren können. Individuelles Gewinnstreben und das Verfolgen gesellschaftlicher Interessen stehen jetzt wieder im Einklang.

Wer Joe Kaeser beim Klimaschutz in eine moralische Verantwortung nehmen will, sollte ihn also weniger an einzelnen Deals als vielmehr daran messen, ob er politisch glaubwürdig für einen globalen CO2-Preis kämpft.


Dieser Beitrag ist am 16.04.2020 im 1E9 Magazin erschienen.